Die Zwölf als Lebenssymbol

Das Leben schlägt im Zwölfertakt

Die Zahl Zwölf und ihr Vielfaches begegnet uns in allen Kulturen als eine kosmische Zahl, unsere Welt lebt den Zwölferrhythmus. Sechzig Pulsschläge pro Minute zählen als optimale Frequenz und decken sich im Gleichklang mit der Zeit. Zwei mal zwölf Stunden fasst ein Tag, in zwölf Monaten umkreist die Erde die Sonne. Zwölf Tierkreiszeichen schmücken unser Firmament. Unsere Wahrnehmung und Motorik wird durch zwölf Gehirnnerven gesteuert, unser Herz schlägt vor zwölf Brustwirbeln, unser Darm beginnt mit dem Zwölffingerdarm. Unser Skelett macht 12 Prozent der Körpermasse aus. Zwölf von 20 Aminosäuren stellt der Körper selbst her, der Rest ist essentiell. Zwölf Mittelfußknochen sorgen für Beweglichkeit und unsere Luftröhre ist durchschnittlich 12 cm lang. 

Der menschliche Organismus regeneriert sich fast vollständig innerhalb von zwölf Monaten neu. Nach der Chakrenlehre entsprechen die sechs vorderen Chakren den sechs auf der Rückseite des Menschen, wodurch dann quasi zwölf Haupt-Chakren entstehen. 

In der Spagyrik verweist die der Zwölf zugeordnete Pflanze Artemisa vulgaris (Beifuß) auf den Sinn des Lebens. 

Neben der Spagyrik begegnet uns die Zwölf in der Naturheilkunde bei den Schüssler-Salzen, die nach dem deutschen Arzt Wilhelm Schüssler benannt wurden. Bei den zwölf Schüssler-Salzen handelt es sich um homöopathische D-Potenzen einzelner Mineralsalze. Schüsslers Überlegungen beruhen auf dem Grundsatz: Die im Blute und in den Geweben vertretenen anorganischen Stoffe genügen zur Heilung aller Krankheiten, die überhaupt heilbar sind. Durch ihre unterschiedliche Konzentration gewähren sie den physiologischen Ablauf des gesamten Stoffwechsels. Bei Konzentrationsstörungen dieser Salze entstehen laut Schüssler Krankheiten. Eine nachvollziehbare Aussage. ‚Wie oben, so auch unten’. 

Der Benediktinermönch Basilius Valentinus glaubte den Stein der Weisen gefunden zu haben und damit den Brunnen aller Gesundheit. In seinen „Chymischen Schriften“, untermalt mit vielen Symbolen, beschreibt der Alchimist, wie er die Pforten zum Wissen fortdauernder Gesundheit mit zwölf Schlüsseln öffnet, wobei ihm die Grundelemente Erde, Luft, Wasser und Feuer helfen das Element Antimon (Antimonium stibium; chem. Zeichen Sb) zu gewinnen, das er zu Heilzwecken verwendet.

Die Zwölf mit ihrem Anspruch auf Vollkommenheit zeigt damit deutliche Affinität zur Gesundheit.

Die Zwölf Arbeiten der Herakles
In der ersten Arbeit war Herakles gefordert den Löwen von Nemea zu erwürgen, was Herakles mit Bravour gelang. Die Lernäische Hydra zu töten, eine neunköpfige Schlange, deren abgeschlagene Köpfe doppelt nachwuchsen, wurde seine zweite erfolgreiche Aufgabe. Ein Jahr lang benötigte er, um die der Artemis entkommene Hirschkuh Kerynitis wieder einzufangen – darin bestand seine dritte Aufgabe. In der nächsten Arbeit gelang es ihm, dem König den erymanthischen Eber lebend zu bringen. Als fünfte schier unlösbare Aufgabe galt es, die Ställe des Augias zu entmisten, wo sich der Kot seit Jahren unermesslich angehäuft hat. Dies gelang Herakles nur, indem er zwei Flüsse durch die Ställe leitete. Am See Stymphalos wartete seine sechste Aufgabe: Menschenfressende Raubvögel, die Stymphaliden, trieben dort ihr Unwesen. Herakles erlegte alle mit seinem Bogen. Den Kretischen Stier lebend nach Tiryn zu bringen gelang ihm ebenso brillant wie die vorherigen Aufgaben. Um König Eurystheus die Stuten des Diomedes zu bringen, tötete er Diomedes, indem er ihn den wilden Stuten vorwarf, die dadurch umgehend zahm wurden. In der neunten Arbeit tötete er die Amazonenkönigin Hippolyte und entwendete ihr den von Ares verliehenen Würdengürtel, den er der Tochter des Eurystheus brachte. Fern von Griechenland lebte im Westen der dreiköpfige Riese Geryon, der braunrote Rinder besaß. Um der Herde für seinen Dienstherrn habhaft zu werden, erschlug er den Riesen und seinen Hirten samt dessen Hund. Die Äpfel der Hesperiden, die als Götternahrung galten, wurden von einem Drachen bewacht. Sie zu beschaffen war seine elfte Aufgabe. Er erstach den Lindwurm und stahl die goldenen Äpfel. Die letzte und zwölfte Aufgabe bestand darin, seinem König den dreiköpfigen Hund Zerberos, der die Unterwelt bewachte, zu bringen. Herakles überwältigte ihn, zeigte den Gefangenen seinem König, um ihn dann wieder in die Unterwelt hinabzustoßen. 

Die Zwölf in den einzelnen Kulturen

Wie oben so auch unten, sagte Hermes Trismegistos 3000 v. Chr. Diese Erkenntnis findet sich im alten Orient wieder, der berühmt war für seine Kenntnisse in der Astrologie. Dort galt die Zahl Zwölf als kosmische Zahl der Vollkommenheit und war heilig. In der griechischen Mythologie begegnet uns die Zwölf in den symbolischen Arbeiten des Herakles sowie seinem Vorgänger, dem babylonischen Gilgamesch – mit dem Unterschied, dass dieser durch zwölf Heldentaten seinen tiermenschlichen Freund Enkidu unsterblich machen wollte, während Herkules Buße tun und die Unsterblichkeit für sich selbst erringen wollte. Das Gilgamesch-Epos besteht aus zwölf Tafeln; der Marduktempel Esagila in Babylon hatte zwölf Tore. Auch Delhi hat zwölf Tore, gleich dem himmlischen Jerusalem der Bibel.

Die Zwölf gibt zum Ausdruck, dass alles Sein nach Durchlauf sämtlicher Stufen der Entwicklung wieder in seinen Ursprung zurückkehrt. In der Zwölf, der Urzahl, der Mutter aller Zahlenmystik, finden wir die Anleitung zum Glücklichsein. Da man schon in der Vorzeit in der Zwölf eine kosmische Zahl sah, musste sie für die damals Lebenden als von Gott gegeben gelten. Sie ist Ausdruckskraft der Schöpfungskraft Gottes und des vollendeten Menschen. Dementsprechend weist die Zwölf in einzelnen Kulturkreisen auf zwölf Gottheiten hin. 

Bei den Japanern erscheinen zwölf Hauptgötter ebenso wie bei den Indern, Bengalen, Griechen, Römern oder Hethitern. Die Zahl Zwölf ist die Zahl des Zodiaks, der Tierkreiszeichen, der zwölf Felder, Regenten und Häuser des Tierkreises, die das Universum gürten. Die zwölf Tierkreiszeichen unterteilte man in vier Trigone, ein irdisches, ein wässriges, ein luftiges und ein feuriges Trigon. Die zwölf großen Kraftströme aus dem Tierkreis werden in der griechischen Mythologie durch die zwölf Hauptgötter dargestellt: Pallas Athene, Aphrodite, Hermes, Zeus, Apollo, Demeter, Hephäst, Ares, Artemis, Hestia, Hera und Triton, die den zwölf Tierkreisfeldern Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Wage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische entsprechen. Buddha wird häufig mit zwölf Augen dargestellt. 

Ähnlich den Stämmen Israels zerfielen die indischen Magar in zwölf Stämme. Wir begegnen der Zwölf in den zwölf Jüngern Jesu, in den zwölf Edelsteinen auf dem Brustschild des jüdischen Hohepriesters und in den zwölf Sprossen der Jakobsleiter (Leiter der Tugenden des Benedikt von Nursia). Wie Herakles lebte Amarasinha, der Verfasser des ältesten Wörterbuches des Sanskrit, zwölf Jahre als Büßer im Walde. James Cook fand auf der Insel Owaihi zwölf im Halbkreis aufgestellte Götterbilder. Die oberste Behörde der Parsen in Bombay darf nicht weniger als 24 und nicht mehr als 36 Mitglieder zählen. 

Wo wir auch hinsehen begegnet uns in bedeutenden Bereichen die Zahl Zwölf oder ein Vielfaches von ihr. Die germanische Gaueinteilung, 36 Bezirke des alten Ägypten, zwölf etruskische Landstriche, zwölf Geschworene, zwölf Völker des alten Belgien, die Einteilung Böhmens in zwölf Kreise. Die Aragonier übertrugen die Regierung zwölf Magnaten, Deutschland umfasste nach der Hervarsaga ebenso wie Norwegen zwölf Königreiche; Dietrich, der deutsche Herakles, hatte zwölf Helden im Geleit. Der ihm gleiche Siegfried hatte zwölf Schwerter und erlangte mit der Tarnkappe und dem Stärkegürtel des Thor die Kraft von zwölf Männern. Im Nibelungenlied werden zwölf Erschlagene betrauert, denen die Bedeutung der zwölf vergangenen Monate eines Jahres zukommen. Tempelsteinkreise der Kelten bestehen aus zwölf Granitblöcken. Die zwölf Nächte zwischen dem 25./26. Dezember und dem 5./6. Januar (Rauhnächte) gelten der Ruhe. Im Zwölftafelgesetz spiegelte sich die älteste römische Rechtsauffassung wieder. 

Nach der jüdischen Kabbala ist die Zwölf ein Sinnbild der Ordnung von Raum und Zeit. Die Zwölf setzt sich zusammen aus der EINS und der ZWEI und ergibt somit in der Quersumme die DREI. Sie ist aber auch das Produkt aus der DREI und der VIER, aus der Verbindung des dreifachen Geistes mit dem Stoff, den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser, Erde. Sie hat eine starke Affinität zur Sieben, die auch aus DREI und VIER besteht. 

Im Christlichen ist es das Neue Himmlische Jerusalem und dient förmlich als Leitmotiv der Bibel. In der Offenbarung des Johannes 21, 16-17steht: Die Stadt ist viereckig angelegt […] Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich. Und er maß ihre Mauer: 144  = 12 x 12 Ellen nach Menschenmaß. Das Himmlische Jerusalem besaß 12 Tore aus Perlen und 12 Grundsteine mit den Namen der 12 Apostel. Und die Grundsteine waren mit Edelsteinen besetzt: Jaspis, Saphir, Chalcedon, Smaragd, Sard-Onyx, Carneol, Chrysolith, Beryll, Topas, Chrysopras, Hyazinth, Amethyst. Für unser individuelles Menschsein sind die Edelsteine Symbol der Durchlichtung und Veredelung des Stoffes beziehungsweise des Leibes, die Perlen sind dagegen Sinnbild der Reinheit. Zwölf Tore werden allerdings schon früher im Buch der Tore aus der 18. Dynastie Ägyptens (1539–1292 v. Chr.) und bei Sethos I aus der 19. Dynastie (1290-1279 v. Chr.) erwähnt, wobei die zwölf Tore die zwölf Stunden der Nachtfahrt der Sonne bezeichnen. Die ägyptische Unterwelt wird in zwölf Regionen eingeteilt. 

In der chinesischen Shou-Kultur haben diejenigen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, einen vollständigen Zyklus des Universums durchlebt. Die 60 Jahre bestehen aus einem Lebenskreis von 5 x 12 Jahren im System der Himmelsstämme und Erdzweige. Im Islam finden wir die Zwölf in der Kaaba wieder, dem kubischen Stein mit seinen Zwölf Kanten. Der Kubus ist die Welt. Unsere Erdverhaftung und die Missachtung der höheren Natur in uns sind die Wurzel allen Übels und allen Leides. 

Der Kubus und seine symbolische Bedeutung
Der kubische Stein verkörpert mit seinen 12 Kanten die Zahl Zwölf und steht für Weisheit und Schicksal des Menschen. Der Inhalt des Kubus berechnet sich aus der Seitenlänge, die drei Mal mit sich selbst multipliziert (= m³) wird. Im Zentrum zu sein, heißt im Herzen zu sein. Der Weg der Evolution in der Symbolik des Kubus ist auch ein Weg der Rückkehr. Einer Rückkehr zum Zentrum, dem höchsten Aspekt unseres Bewusstseins, das sich aus der eins, dem Ewigen und der zwei, seinem Schleier, aufbaut und zur Drei wird. Zusammen mit der Zwölf manifestiert sie in der Reihe der Zahlen das Dreieck der Rückführung zum göttlichen Urgrund. Wie die Pyramide die Körper gewordene Dreizahl ist, so ist der Kubus die Körper gewordene Vierzahl. Im Kubus begegnen einem die Zahlen 4, 6, 8 und 12. Gehen wir auf deren Bedeutung in der Zahlenmystik ein, so verkörpert die VIER als Sinnbild des irdischen Lebens mit ihren vier Dimensionen die Materie und die vier Urelemente Erde (Erneuerung), Wasser, Luft und Licht (Feuer). Sie bezeichnet die stoffliche Welt im Gegensatz zur geistigen Welt, der DREI. Damit symbolisiert die Vier die menschliche Selbstverwirklichung. Die SECHS steht für Harmonie, in der das männliche und das weibliche Dreieck zu einem Hexagramm zusammenfinden. In ihr spiegelt sich die Kraft wieder, die beide Geschlechter aneinander bindet und eins werden lässt. Neben der männlich-weiblichen Komponente beziehen sich die beiden ineinander fließenden Dreiecke auf ein Verschmelzen von irdischer Priesterschaft und himmlischer Göttlichkeit, dem Bund zwischen Gott und Mensch, besiegelt im Bund mit Salomon. Die SECHS ist die Versuchung, so wie am 6. Tag im Paradies die Schlange auf die Bühne tritt und Eva und letztendlich Adam verführt. Der sechste Tag ist aber auch der Tag der Kreuzigung, der geistigen Erneuerung. Die liegende ACHT weist uns auf die Unendlichkeit hin, der ewig schwingende Rhythmus von Werden und Vergehen. Durch sie erfahren wir Achtung vor dem Leben, die in einer ethischen Lebensweise ausgedrückt werden soll. Aufgeklappt ergeben die Seiten eines Kubus ein Tau, wobei acht Seiten zum Vorschein treten, oder ein zwölfseitiges Kreuz, das später vom Christentum entliehen wurde.

Das Kreuz als Symbol für Leid

Klappt man die Seiten eines Kubus auf, so entsteht ein Kreuz. Das Kreuz bedeutet Polarität und symbolisiert unser Erdendasein, das durch Leiden und Erlösung, durch Krankheit und Heilung geprägt ist. Es ist das Kreuz, das wir zu tragen haben. Die Krankheiten, die wir durchleben müssen oder aber abwenden können, wenn wir deren Ursache erkannt haben. Das Kreuz mahnt uns zur Rückbesinnung auf ethische Werte und ein humanitäres Miteinander. Das Kreuz dient somit als Zeichen für Dualität, durch die unser Erdendasein geprägt ist. Wie viele weise Menschen wies auch Jesus diesen Weg zur Rückbesinnung und Menschlichkeit. Er rüttelte an alten Gewohnheiten und stellte Rechte infrage, die sich eine autoritäre Lobby über Jahrtausende angeeignet hatte. Jesus ans Kreuz schlagen meint, dass wir uns selbst und anderen immer wieder Leid zufügen, aus der eigenen Ignoranz und Unbewusstheit heraus. Jesus sagte: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. Jesus sagt aber auch: Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. 

Das Kreuz annehmen bedeutet, die Erfordernisse des Augenblicks zu erkennen und von innen her zu beantworten. Doch was tun wir? Wir halten uns am Gegenteil fest, an Äußerlichkeiten, Materiellem. Wer sich aber dem Schöpferischen anvertraut und zur geistigen Unsterblichkeit aufsteigen will, der muss Handlungen, die er nicht verantworten kann, vermeiden. 

Dies war die Bürde des Herakles: Verantwortung wiedergewinnen und die Triebhaftigkeit in die psychische Unterwelt, den Tartaros verbannen, war die Herausforderung, der er sich stellte. Auch die Leiden Christi, die sinnbildlich für uns alle stehen, können hier herangezogen werden. In den zwölf Arbeiten des Herkules, wie im Kreuz, wird uns unser Erdendasein mit unseren Pflichten vor Augen gehalten, der Sinn unseres Seins. Die Gesetzmäßigkeit eines gesunden Weges in ein System zu bringen und deren Notwendigkeit herauszustellen ist Ziel der folgenden Kapitel. Dabei werden zwölf zentrale Begriffe, denen wir in diesem Kapitel begegnet sind, in Regeln gefasst, die in ihrer Gesamtheit einen geschlossenen Zyklus bilden. Jeder Mensch kann, wenn er wie Herkules kämpft, sein vermeintliches Schicksal beeinflussen. Nicht immer wird dabei die Idealvorstellung erreicht, aber der Weg ist das Ziel. Jede Sprosse, die erklommen wird, bedeutet mehr Lebensfreude. Seien wir uns bewusst, dass keiner vollkommen ist, jeder Fehler begeht und jeder sein Leben lang lernen muss. Aber macht es das nicht gerade erst interessant und unser Leben lebenswert?