Organspende als Widerspruchsregelung

Die neue Gesetzesregelung von Gesundheitsminister Jens Spahn sieht vor, dass nach Feststellung des Hirntods das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verfällt.

Konkret bedeutet dies, wenn zwei oder drei Ärzte „unabhängig“ voneinander bestätigen, die betreffende Person sei hirntot, dann kann sie ausgeschlachtet und verarbeitet werden wie ein Schwein, denn etwas anderes ist es nicht, außer, dass das Fleisch nicht gegessen wird.

Wie wird denn der Hirntod festgestellt, wird die zu untersuchende Person an unterschiedliche Geräte angehängt, mit denen die Hirnströme gemessen werden? Wohl kaum, denn es bleibt keine Zeit andere Geräte anzuschließen. Die drei Ärzte schauen also auf ein und das selbe Gerät und geben dann „unabhängig“ voneinander ihre Meinung ab. Wer über ein Jahrzehnt in Krankenhäusern gearbeitet hat, der weiß, wie miserabel es um die Ethik vieler Ärzte bestellt ist. 

Ich stelle nicht infrage, der Mensch, dessen Hirnströme versiegt sind, sei tot. Infrage stelle ich die Integrität der Ärzte, die ihr Handeln unter dem Deckmantel der Menschlichkeit ausüben. Mit Menschenliebe und Humanität – blickt man nicht hinter die Kulissen – lassen sich viele egoistische Ambitionen kaschieren. TV-Serien über die heile Welt weißer Götter in Kliniken wollen einem zwar Glauben machen, es ging den Ärzten um Menschlichkeit, um den hippokratischen Eid, um Nächstenliebe – weit gefehlt. Es gibt zwar rühmliche Ausnahmen, doch es bleiben Ausnahmen, die Masse ist geltungssüchtig, erfolgsorientiert und rücksichtslos. Das habe ich in 40 Jahren lernen müssen, von denen ich über 10 Jahre in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet habe.

Passend dazu erreichte mich während des lang anhaltenden Ärztestreiks im Jahr 2006 am 02. August 2006 ein Fax von Monika K. vom Bezirksklinikum P. (Namen sind zum Schutz der Betroffenen verfälscht) mit folgendem Wortlaut (nur ein Auszug):

Da ich in einer Klinik als Sekretärin tätig bin, ist mir ‚nicht Menschliches’ nicht mehr fremd, ich könnte Ihnen aus dem Effeff ‚Ärzte’ nennen, die folgenden Kriterien gerecht werden.

  • Ärzte, die sich auf der Toilette verstecken, wenn eine etwas aufwendige Untersuchung ansteht.
  • Ärzte, die vor Angehörigen fliehen oder permanent mit Schutzschild ‚ist nicht mein Patient’ herumlaufen.
  • Ärzte, die nicht in der Lage sind, einen korrekten deutschen Satz zu bilden, geschweige denn einen auch nur halbwegs vernünftigen Bericht anzufertigen.
  • Ärzte, die vom Intellekt her noch nicht einmal in der Lage wären, ein Tretauto zu steuern, und von daher bereits Schwierigkeiten bei der morgendlichen Blutabnahme haben.
  • Ärzte, die abwiegeln, lügen, nötigen.
  • Ärzte, deren vorrangiges Problem die Sicherung eines persönlichen Parkplatzes innerhalb des Klinikgeländes zu sein scheint.

Und gerade diese Art von Ärzten, von denen es wahrscheinlich nicht wenige gibt, scheint ein geradezu atemberaubendes Engagement in Zusammenhang mit dem Ärztestreik an den Tag zu legen.

Kein Einzelfall, sondern eine Beschreibung einer ernst zu nehmenden Lage.

Oder man nehme nur die vielen Hilfsorganisationen, die weniger aus Gründen wahrer Nächstenliebe handeln, sondern mehr aus Gründen des Selbsterhalts und der Eigendarstellung, denn mit dem Geld der Spender lässt sich gut leben. Gerade Kriminelle erweisen sich vordergründig als Wohltäter, um der Masse, die leicht beeinflussbar ist, ein Image des Gutmenschen zu suggerieren.

Ein weiteres Argument halte ich für enorm wichtig: Über Jahrtausende pflegten die Menschen einen Totenkult, in vielen Ländern auch heute noch, der ihnen Hoffnung gab und gibt und damit Kraft zu Lebzeiten. Heute, in einer allzu modernen Welt, spricht man von Ethik, Moral und Empathie, von der Verpflichtung anderen zu helfen. Sicherlich, Menschen, die Not leiden, sollte geholfen werden und ich möchte nicht in der Haut von jemanden stecken, der dringend auf ein Spenderorgan wartet. Darf dies aber so weit gehen, dass vermeintliche Organspender per Gesetz ausgeweidet werden dürfen?

Es gilt als human, seinen Mitmenschen, egal wem, zu helfen. Und das in einer Welt, in der es kein Pardon mehr gibt, kein Verzeihen, keine Kompromisse, kein Verständnis für andere Meinungen, nur noch Dogmen und Ideologien. Auf einmal ist alles vergessen, die Antipathien, die politischen Kontroversen, der Hass, man spendet womöglich dem seine Organe, der einen zuvor diffamiert hat. Es wurde ernsthaft gefragt, ob man nur Flüchtlingen seine Organe spenden dürfe. Ähnlich sehen es der Buddhismus und der Hinduismus. In fundamentalistischen Religionsrichtungen wird die Organspende jedoch ein Tabu bleiben.

Oder die Frage, darf ein Organspendeverweigerer ein fremdes Organ annehmen? Ich finde schon. Wenn jemand etwas aus freien Stücken gibt, kann und darf dies jeder annehmen. Wer aus wahrer Menschenliebe schenkt, dem ist es egal, wer sein Organ erhält, ihm ist nur wichtig, dass dieser es dringend benötigt. Wahre Menschlichkeit macht keine Unterschiede. Das eine darf doch nicht vom anderen abhängig gemacht werden. Schließlich handelt es sich um unser Grundrecht auf Selbstbestimmung. Hier zwingende Abhängigkeiten zu schaffen, hieße die Menschen zu erpressen. Außerdem dürften dann die meisten Moslems keine Organe erhalten, denn der Islam schreibt die Unversehrtheit des menschlichen Körpers vor,  so der Islamwissenschaftler Mohammed Ghaly von der niederländischen Universität Leiden. „Die Entfernung der Körperteile Sei nicht angebracht, vor allem nicht, wenn jemand – wie nach dem Tod – schutzlos sei“, erklärt Ghaly. 1997 äußerte sich der Zentralrat der Muslime dahingehend, jeder Moslem müsse selbst entscheiden, ob er seine Organe spenden würde.

Man könne gegen die Organentnahme schließlich Widerspruch einlegen, heißt es seitens Spahns beschwichtigend. Tja, das ist so eine Sache, denn der Widerspruch ist vor dem Amt ein öffentlicher Akt und nicht anonym. Viele scheuen zuzugeben, dass sie ihre Organe nicht spenden möchten, aus welchen Gründen auch immer, seien es religiöse oder aus einem Misstrauen heraus. Egal, im Endeffekt stehen sie als Unmenschen da, die von der Gesellschaft verurteilt werden, so wie jeder diffamiert wird, der nicht dem ach so edlen Mainstream folgt.

Und die Begründung, mit einer erhöhten Organspendebereitschaft den illegalen Organhandel unterbinden zu können, ist ein Trugschluss. Die Menschen werden durch ihre ausschweifende Lebensweise und durch wachsende Umweltbelastungen zunehmend kränker. Immer häufiger werden Ersatzorgane, eigentlich sind es Ersatzteile, benötigt. Der Sumpf des Schwarzmarkts wird deswegen nicht trocken gelegt. Ich schreibe darüber in meinem Buch „Das Netz der Gier“ ausführlich.

Hier ein Passus: „Die weltweite Nachfrage nach Organen ist gewaltig und wächst Jahr für Jahr. Der Preis von bis zu mittlerweile 70.000 Dollar für eine Niere ist für gewissenlose Kriminelle geradezu verlockend. Neben Indien, wo der Organhandel wie ein Basar funktioniert, hat sich verstärkt auf der Sinai-Halbinsel, nördlich von Sharm el Sheikh, das Geschäft dieser perversen Beschaffungskriminalität etabliert. Von Beduinenstämmen entführt, oder von Schleusern abgekauft, fallen afrikanische Flüchtlinge aus dem Sudan, Äthiopien und Eritrea skrupellosen Schlächtern zum Opfer, die den Organhandel wie einen Autoersatzteilhandel betreiben. Nach Angaben der UN Refugee Agency fordern die Beduinen 30.000 Dollar Lösegeld pro Person und mehr…“

Es geht nicht um Moral, die lediglich vordergründigem Kaschieren eigener Begierden dient. Es dreht sich, wie immer, um die drei „M“: Macht, Moneten, Mädchen.

 

Nachtrag

Berlin, den 16.01.2020 – Der Bundestag hat in namentlicher Abstimmung die von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagene Widerspruchsrege­lung in der Organspende abgelehnt. Es gab 674 abgegebene Stimmen. 292 Abgeordnete votierten für die Reform, 379 waren dagegen und drei Parlamentarier enthielten sich.

Hingegen stimmte der Bundestag der Zustimmungslösung zu. Der Entwurf von Grünen-Chefin Annalena Baer­bock und Linken-Chefin Katja Kipping fordert eine ausdrückliche Zustimmung des Spenders und sieht zugleich eine bessere Information der Bürger vor. Ein Vorschlag, den ich voll und ganz unterstreiche.