Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben

 

Kann uns nur das Gesetz Freiheit geben? So steht es zumindest im Ritual. Was ist damit gemeint. Bezieht sich diese Aussage auf die Normen des jeweiligen Landes?

Wohl eher nicht, denn dazu sind die Gesetze zu unterschiedlich und Freiheit garantieren sie in Ländern wie China, Russland, Venezuela u.v.a. sicherlich nicht. (Selbst in Deutschland nicht mehr ☹️)

Dieser Satz ist als Gleichnis zu verstehen. Denn je mehr niedergeschriebene Gesetze wir umsetzen müssen, desto mehr wird unsere Freiheit eingeschränkt. Und die Dicke der Gesetzbücher ist kein Beweis für die Freiheit, sondern eher für die Unmündigkeit der jeweiligen Bürger, für die die Gesetze gelten (Deutschland hat die meisten Gesetze weltweit). Es muss sich also um ein anderes Gesetz handeln.

Ist damit das göttliche Gesetz gemeint, schließlich wird vom Buch des „heiligen“ Gesetzes gesprochen, womit in der geöffneten Loge die Bibel oder bezeichnenderweise das weiße Buch gemeint ist?
Bezüglich der Bibel würde es bedeuten, Gott wäre die gesetzgebende Instanz. Gott als Schirmherr der Freimaurer, so wie Johannes der Täufer?

Sieht man allerdings auch den Gottesbezug symbolisch, kann es sich nur um ein Naturgesetz handeln. Ewiges Gehen und Vergehen ist Gesetz, die Sonne erklimmt vom Osten her den Horizont und nach jeder Dunkelheit folgt das Licht, auch das ist Gesetz. Wer das versteht, ist von Zwängen und Ängsten weitgehend befreit. Doch das reicht nicht, denn wir leben im Hier und Jetzt. Hier gilt es ein würdiges Leben für alle zu ermöglichen, ein „Paradies“ zu schaffen, kurz den Tempel der Humanität.

Um das zu begreifen, benötigen wir einen inneren Kompass, ein inneres Gesetz, ein Gesetz, das uns leitet, ein Gesetz, das mit der Menschwerdung in den einzelnen Entwicklungsstufen entsteht und reift.

 

Was wir in den Graden lernen

Jeder Grad bis in die obersten weiterführenden Grade bietet zur Vervollkommnung des Selbst Hilfestellungen und dient als Werkzeug zur Menschwerdung. In jeder einzelnen Stufe wird dem Probanden eine Tugend dargelegt, der er sich zu stellen hat und die er verinnerlichen muss. Das Tugendhafte, die Würde des Menschen, sein Gewissen und der gegenseitige Respekt wären Inhalt eines weißen Buches, in das jeder seine individuellen Prioritäten und Vorgehensweisen eintragen könnte. Es steht also jedem offen, wie er vorgeht, es bleibt ihm überlassen, wann er sich welche Stufe erarbeitet hat.

Eigentlich braucht der Weise zur Menschwerdung keine weiterführende Grade, es reichen die ersten drei, sofern man dem Probanden Zeit für die Verinnerlichung lässt. Diese Dringlichkeit und die dafür benötigte Zeit, sich als Lehrling und Geselle zu beweisen, wird leider meist unterschätzt und unerfahrene Meister, selbst des königlichen Handwerks unkundig, jagen die Probanden geradezu durch die Grade. Ein fataler Fehler, der sich tagtäglich bitter rächt und die Freimaurer nicht nur in die Unbedeutung, sondern am Ziel vorbei lanciert.

Der Fehler liegt darin, sich selbst nicht gewissenhaft als „Rauhen Stein“ zu behandeln, sondern die Verhaltensweisen, seine eigenen und die anderer Menschen, einer Gesetzessammlung zuordnet und damit Verantwortung abwälzt, um nicht selbst im Falle des Versagens schuld zu sein. Dabei trägt jeder selbst die Verantwortung für sein Handeln.

Es ist das Gewissen über unser eigenes Handeln, das uns Freiheit geben kann. Es ist das innere Gesetz von Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Respekt und Menschlichkeit, dem wir folgen sollen.

Dem geachtet wäre hier ein Bezug zur Bibel zu sehen und zwar zur Goldenen Regel, die besagt: „Tue keinem anderen, was Du nicht willst, das man Dir tue“.

Die Betonung liegt auf „wäre“, denn dieser Satz birgt seine Tücken, auf die ich hier jedoch nicht eingehen werde.
Wer aber die Tugenden der einzelnen Grade verinnerlicht, der wird das Gesetz entwickeln.