Geburt und Wiedergeburt in der antiken Symbolik

 

Während die Sonne als beständiges, goldenes Gestirn gilt, ist der Mond unbeständig. Er nimmt zu und ab und wandelt seine Gestalt. Der ewige Zyklus des Mondes wurde mit dem Wechsel von Geburt, Tod und Wiedergeburt verglichen, der an Aussaat und Ernte, den Jahreszeiten und überall in der Natur beobachtet werden kann. Man erkannte bald, dass die Mondphasen nicht nur mit Wachstum, Zerstörung und neuem Wachstum verbunden sind, sondern auch mit dem weiblichen Menstruationszyklus, der Fruchtbarkeit, Empfängnis und Geburt steuert. Und so wie man die lebensspendende Sonne mit den männlichen Grundzügen assoziierte (Apollon), wurde der Mond, ihr Partner und Lebensempfänger, mit weiblichen Eigenschaften gleichgesetzt.

Als Neumond wird sie als Mädchen- oder Jungfrauengestalt (Artemis) beschrieben, eine aufblühende, verführerische Göttin. Wenn der Mond zum Vollmond heranwächst, wird er zur fruchtbaren Mutter, die das Leben in sich trägt.
In der letzten Phase, bevor der Mond in die Dunkelheit entgleitet, wird er als Hexe oder altes Weib dargestellt, als weise Frau, die sich auf Magie versteht, eine Meisterin der Verkleidung, mit der Kraft, alles, was sie berührt, zu heilen und zu verwandeln.

Diese drei Gesichter der Mondgöttin stellen die Zyklen der Natur dar und verbinden die bewussten, unterbewussten Vorgänge des menschlichen Geistes – unser körperliches, geistiges und emotionales Gesicht.
Der Mond ist zum Urbild von Schöpfung, Frausein und weiblicher Psyche geworden. Artemis übernahm damit die Funktion der ursprünglichen Mondgöttin der Griechen, der Selene. Diese vollbringt gemeinsam mit ihren beiden Geschwistern Eos – der Morgenröte – und Helios – dem Sonnengott – tagtäglich den Wechsel von Tag und Nacht. Sie – das weibliche Prinzip, die Große Mutter. Ihr Bruder Helios (später Apollon) das männliche. Zusammen bildeten die drei ein Jahrtausend lang mächtiges Göttergespann. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie führen mit ihren prächtigen Wagen alltäglich über den Himmel.