Freimaurerei als Sündenbock

 

Immer wieder muss festgestellt werden, dass sich in die Freimaurerei Personen einschleichen, die mit den ethisch-humanitären Idealen der Freimaurerei recht wenig im Sinn haben. Ist es doch zu verführerisch, die Toleranz und Gutgläubigkeit der Freimaurer dahingehend auszunutzen, sie zu unterwandern und zu missbrauchen. Man hängt sich mit dem Namen „Freimaurer“ das Mäntelchen der Moral um und treibt darunter unverfroren und unentdeckt weiterhin sein Unwesen. Erst 2008 wurden auf Sizilien derartige Vorwürfe laut, bei der acht Italiener einer geheimen Freimaurerloge verhaftet wurden. Ihnen wird vorgeworfen, wichtige Prozesse gegen die Cosa Nostra gebremst zu haben . Ähnliche Vorwürfe gegen die sizilianische Freimaurerei gab es schon länger.

Unter dem Namen Operation „Saubere Hände“ ermittelten im März 1994 Staatsanwälte gegen prominente Politiker. Darunter der frühere Ministerpräsident Giulio Andreotti, Premierminister Arnaldo Forlani sowie der ehemalige Geheimdienstchef Siziliens, Bruno Contrada, alle drei Mitglied der Freimaurerei im Grade des „Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem“. Andreotti wurde verdächtigt, mit der Mafia kooperiert und einen Mord in Auftrag gegeben zu haben. Forlani war in einen Schmiergeldskandal verstrickt, und Contrada, der als Berater der Vatikanbank diese zum Waschen von Schwarzgeld nutzte, wurde inhaftiert. Seinen „Ritterbrüdern“ Baron Massimo Spada, Luigi Mennini, Generalsekretär des IOR , und Mario Barone, Direktor des Banco di Roma, wurden ebenfalls verhaftet. Der Grande Oriente d’Italia war daraufhin gezwungen, die Mitgliederlisten der Staatsanwaltschaft auszuhändigen.

Ein Blick in die Listen ergab, dass Hintermänner und Strippenzieher nahezu aller großer Finanzskandale und politischer Machenschaften der letzten 25 Jahre im Ritterorden vertreten waren. So gingen Putschversuche auf das Konto von Licio Gelli, Faschist und Großmeister der Freimaurerloge Propaganda Due (P 2). Die irreguläre Loge „P2“ , der auch der ehemalige Minister¬präsident Silvio Berlusconi 1978 beitrat , ging es anscheinend nur um eins: Die Ergreifung der Macht im Staat. Dazu hatte 1981 der damalige Logenmeister Licio Gelli namhafte Personen aus Wirtschaft, Politik, Militär und Klerus um sich geschart.

Eines ihrer wichtigsten Werkzeuge war die Vatikanbank, die seit dem Zweiten Weltkrieg durchgehend unter der Leitung von Grabesrittern steht. Was Vertreter der katholischen Kirche und Gläubige über Jahre nicht wahrhaben wollte, hat sich 2013 erwiesen: Die Vatikanbank war nicht nur in Schmiergeldaktionen verwickelt, sie wusch auch über Jahrzehnte schmutziges Geld der Mafia und transferierte es in überseeische Scheinfirmen. Natürlich bekam die Großloge des Grande Oriente d’Italia Wind von den dubiosen Machenschaften der „P2“ und schloss diese bereits auf dem Großlogentag von 1974 fast einstimmig aus. Dennoch arbeitet sie im Untergrund weiter.

Zeit online berichtete am 17. Oktober 2008 von den Bemühungen des Mafiajägers Linares, der unter anderem die Verbindung zwischen Mafia und Freimaurern aufdeckte, die bis in den obersten Rechnungshof des italienischen Verwaltungsgerichts reicht.

2010 macht das Gerücht einer neuen Loge, der „La nuova loggia P3“ die Runde, auch „Loggia massonica P3“ genannt. Sie steht für das verwirrende politische und wirtschaftliche Korruptionsgeschehen der Gegenwart. Kein guter Leumund für die Freimaurerei in Italien.
Man muss dazu allerdings wissen, dass jeder eine Loge gründen kann, denn der Begriff Loge ist nicht geschützt.

Zu gerne wird hier die Freimaurerei missbraucht und gleichzeitig in Misskredit gebracht. Ist die Freimaurerei doch ein glühender Verfechter der Menschenrechte und somit ein bekennender Gegner von jeglichem Totalitarismus, jeglichem Dogmatismus, sowie jedweder Intoleranz und damit ein nicht zu unterschätzender Bekämpfer mafiöser sowie korrupter Machtspiele. Zu gerne schmücken sich Mafia-Mitglieder und andere Vertreter des Organisierten Verbrechen mit dem Mantel der Wohltätigkeit, so auch mit dem Mäntelchen freimaurerischer Tugenden. Man gibt sich als Gönner, Wohltäter, Kunstmäzen, als Altruist, eben als guter Mensch – alles nur Tarnung.

Dieser Kampf gegen die Kriminalität brachte z.B. den Freimaurern auf Kuba bei Fidel Castro hohe Achtung ein, obwohl Castro totalitär herrschte und deswegen auch nicht Mitglied im Bunde werden konnte, wie er gerne wollte.

Wegen dieser strikten Haltung gegenüber absolutistischer Herrschaftsformen wurden Freimaurer unter Adolf Hitler und Benito Mussolini verfolgt, inhaftiert und getötet – allein in Belgien über 2.000. Noch heute steht im Irak die Todesstrafe auf Mitgliedschaft in der Freimaurerei, in Syrien Gefängnis. Was liegt also näher, als genau diese humanistisch geprägte Gruppe durch Unterwanderung in ein schlechtes Licht zu rücken. Man fragt sich, welche tatsächlichen Ideologien so mancher Buchautor mit seinen Antifreimaurerschriften verfolgt. Gerade sie sind es, die meines Erachtens durch ihre Bücher totalitären und korrupten Machtstrukturen Vorschub leisten, indem sie humanitäre Gegenströmungen zu verhindern suchen. Die Tendenz zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich in der Freimaurerei unterzutauchen, in ihrem Namen zu agieren und diese dadurch in Verruf zu bringen, scheint in Italien ein größeres Problem darzustellen.

Aber auch in anderen Ländern ist die Freimaurerei davor nicht gefeit, siehe Rumänien. Hierzu dürfen ernsthafte und überzeugte Freimaurer nicht schweigen, in der Hoffnung, dass keiner von den schwarzen Schafen erfährt. Dabei treibt genau dieses Schweigen seine Blüten und bietet allerlei Spekulationen Nahrung. Es ist mehr als schade, wenn die Idee, ja die Vision der Freimaurerei mit ihrem Appell nach Vernunft, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe durch solche Intrigen beeinträchtigt wird.

Umso erfrischender erscheint mir die offene Kritik von Humanisten und Freimaurern in Frankreich gegen die Äußerung von Nicolas Sarkozy kurz vor Weihnachten 2011, dass bei der Weitergabe von Werten Pfarrer und Pastoren nicht durch Lehrer ersetzt werden könnten. Hätte Sarkozy seine Vorhaben durchsetzen können, wären das der Anfang vom Ende des Laizismus in Frankreich und damit ein Rückschritt ins Mittelalter, das vom religiösen Dogmatismus geprägt war. Offene Worte seitens der Freimaurer sind gefragt und dringend nötig, damit die Öffentlichkeit erfährt, welche humanitären Werte gerade nicht religiös geprägte Organisationen propagieren (ich komme auf dieses Thema noch im Artikel „Liberté, Egalité, Fraternité“ zu sprechen).

Um ethisch-sittliche Werte zu vertreten, zu lehren und zu leben, bedarf es keines Geistlichen, sondern eines Humanisten, wobei dem nichts im Wege steht, dass ein Geistlicher auch ein Humanist sein kann, sofern jener seinen Dogmatismus und seine Intoleranz ablegt.
Heißt es nicht in Lehrschriften der Freimaurer Steh auf gegen das Unrecht wo immer es sich zeigt?

Dazu gehört zwingend das öffentliche Bekenntnis zu ethisch-moralischen Werten – Geheimniskrämerei ist dem nur abträglich. Die Freimaurerei braucht sich wegen ihrer ethischen Gesinnung nicht zu schämen, denn gerade dieses Versteckspiel schürt die Gerüchteküche und schafft Raum für den Umtrieb unlauterer Personen und die zahlreichen Verleumdungen.

Kurt Tucholsky trifft es in einem Gedicht auf den Punkt:
Hast Du Angst, Erich? Bist Du bange, Erich?
Klopft Dein Herz, Erich? Läufst Du weg?
Woll’n die Maurer, Erich – und die Jesuiten, Erich
Dich erdolchen, Erich – welch ein Schreck!
Diese Juden werden immer rüder.
Alles Unheil ist das Werk der …Brüder.
Denn die Jesuiten, Erich – und die Maurer, Erich –
Und die Radfahrer – die sind schuld
an der Marne, Erich – und am Dolchstoß, Erich –
ohne die gäb’s keinen Welttumult.
Jeden Freitagabend spielt ein Kapuziner
mit dem Papste Skat – dazu ein Feldrabbiner;
auf dem Tische liegt ein Grand mit Vieren –
dabei tun sie gegen Deutschland konspirieren…
Hindenburg wird älter und auch müder…
Alles Unheil ist das Werk der…Brüder.